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Bruno der Gipfelstürmer

 

Eine Expedition auf den Bärenberg


Als Bruno ein Kind war, etwa so alt wie die kleinen TheaterbesucherInnen, hatte er eine Zeit lang böse Träume, aus denen er oft verschwitzt und verängstigt erwachte. Er träumte von fressgierigen Krokodilen, von schnappenden Hunden, von riesigen Spinnen, von glutäugigen Fledermäusen, von heimtückischen Reisenschlangen und traute sich manchmal gar nicht, wieder einzuschlafen. Das Dumme an den Träumen war aber nicht nur, dass sie ihm Angst machten. Wenn er am Frühstückstisch davon erzählte, schien das niemanden zu interessieren. Sein Vater redete von der Arbeit, seine Mutter war sowieso erst nach dem dritten Kaffee halbwegs wach und seine beiden Schwester lachten ihn als Angsthasen einfach aus. Also schwieg Bruno fortan und versuchte, die schlimmen Träume selbst und anderswie zu bewältigen. Doch er schaffte es nicht. Und genau in dem Moment, als seine Not am grössten war, genau dann rief ihn sein Grossvater an. Weshalb, wusste er nicht mehr, aber weil der Vater nicht da und Mutter unter der Dusche war, entspann sich ein längeres Gespräch zwischen dem älteren Herrn und seinem Enkel. Und im Verlauf von diesem Wortwechsel begann der kleine Bruno von seinen Träumen zu erzählen. Und in seinem Grossvater fand er nun endlich jemanden, der ihm geduldig zuhörte. Und nicht nur das: Der Opa lud Bruno sogar zu sich nach Hause ein, um bei einem Kamillentee die ganze Problematik noch einmal zu besprechen und vor allem herauszufinden, was man gegen diese Angst unternehmen könnte.


Bruno ging also zu seinem Grossvater in die Ferien und schon am Abend des ersten Tages wurde klar, eine Angst kann man nur besiegen, wenn man sich trainiert, welcher Angst auch immer, entschieden gegenüber zu treten. Und ein Gefühl dafür zu bekommen, dass man eine Angst überstehen kann, dass man aus jeder irgendwie gearteten gefährlichen Situation als Sieger hervor gehen kann. Nun galt es also, noch ein geeignetes Übungsfeld zu finden und da hatte Grossvater eine grossartige und voller Vorfreude unterbreitete er Bruno den Vorschlag, man sollte vielleicht zusammen eine Expedition unternehmen. Es sei nämlich so, dass jeder Mensch, der einmal bei einer Expedition dabei gewesen sei, nachher nachweislich viel weniger Angst und schlechte Träume gehabt hätte als vorher. Weil eine Expedition, mit ihren vielen möglichen Gefahren, geradezu abhärtend wirken würde. Und nicht zu verachten sei dabei, dass so eine Expedition viel Spass mache. Bruno war begeistert. Opa schlug vor, dass man den Bärenberg ersteigen und in einer der drei Höhlen übernachten wolle. Denn eine Expedition ohne Übernachtung im Freien oder in einer Höhle sei natürlich nur eine halbbatzige Expedition. Die Vorbereitungen zur Expedition nahm einen ganzen Tag in Anspruch. Der zweite Tag wurde damit verbracht, am Fusse des Bergs ein Basislager einzurichten. Und am dritten Tag, zog man dann los.


Was jetzt auf dieser Expedition alles passierte, das zu erzählen schickt sich Bruno nun an sich ständig erinnernd an das, was er und der Grossvater damals erlebten. Wie sie die Wölfe hörten, Wie sie den jungen Hund fanden, wie sie den Bach ohne Brücke überqueren mussten, wie es zu regnen begann, wie sie kein Feuer machen konnten und dann och ein Feuer machen konnten, wie sie schwitzten, wie sie den Fuchs sahen und seine blutende Schnauze, wie sie schliesslich die Höhle fanden und sich gemütlich einrichtete, wie sie den Sternenhimmel betrachteten und einander grosse Fragen stellten und wie sich schliesslich der Grossvater beim Aufstieg auf den Bärenbergspitz den Fuss verknackste. Bruno könnte stundenlang weiter erzählen, aber irgendwann wird auch das stärkste Publikum müde. Und wie bei einer Expedition, muss man eine Pause machen und etwas trinken und die grossen Fragen besprechen können. Am Ende der ebenso abenteuerlichen wie gefährlichen Expedition hatte Bruno so viel Neues und Spannendes erlebt, hatte soviele Hindernisse und Angstbarrieren überwunden, dass er zuhause in seinem Bett zwar noch von schlimmen Tieren träumte, sich ihnen aber mutig und selbstbewusst in den Weg stellte. Er brauchte kein angst mehr zu haben, er, der Expeditionist, der den Bären gesehen hatte - ganz nah, er der den Grossvater mit dem lahmen Fuss heil nach hause gebracht hatte, er, Bruno der Gipfelstürmer!